Theoretischer Teil

2. Das Internet

2.1 Anfänge und technische Grundlagen des Internets

Das Internet hat seinen Ursprung in den USA, wo es Ende der 60er Jahre als vom Verteidigungsministerium finanziertes Forschungsnetzwerk mit Namen, Advanced Research Projects Agency-Net (ARPANET), seinen Anfang nahm.

Von Anfang an war das Netz dezentral konzipiert, damit es auch bei Ausfällen einzelner Komponenten funktioniert (vgl.: VESPER, 1998, S. 12). Dies wird primär durch die Aufteilung der Daten in kleine Pakete sowie der netzartigen Struktur, die immer mehrere Verbindungswege zwischen den Rechner zur Verfügung stellt, gewährleistet.

Fällt ein Rechner des Netzwerkes aus, werden die Datenpäckchen über andere Rechner geleitet. Eine Datei kann also, verteilt in Datenpäckchen, ihren Weg über ganz unterschiedliche Rechner und Länder nehmen. Die Adressierung der Datenpakete sowie die Feststellung, welchen Weg sie nehmen (Routing), werden mit Hilfe des sogenannten Internet Protocol (IP) organisiert. Das darauf aufsetzende Transmission Control Protocol (TCP) übernimmt zum einen die Aufteilung größerer Dateien in Datenpakete, zum anderen stellt es sicher, daß während der Übertragung verloren gegangene Datenpakete neu übertragen werden. Unter dem Begriff TCP/IP werden noch weitere Protokolle zusammengefaßt, die prinzipiell dieselben Aufgaben erfüllen (vgl.: KYAS, 1998, S.57ff). Aufgrund dieser standardisierten Übertragungsprotokolle ist es möglich, Rechner unterschiedlicher Fabrikate und Leistungsfähigkeit miteinander zu verbinden. Auf diese Schichten des Internets setzen nun die einzelnen Internet-Dienste auf, die im Kapitel 2.3 vorgestellt werden. In den 70er und 80er Jahren beteiligten sich vor allem Universitäten, die Computerindustrie und andere Forschungsunternehmen an diesem Netzwerk, daß sich zunehmend auch auf andere Länder und Kontinente ausdehnte. Zu diesem Zeitpunkt wurden überwiegend textbasierte Anwendungen von Experten genutzt (vgl.: VESPER, 1998, S. 13).

Spätestens seit der Entwicklung des World Wide Web (WWW) wurde das Internet auch einer breiteren Masse zugänglich. Diese Entwicklung soll nun aufgezeigt werden.

2.2 Die Kommerzialisierung des Internets

2.2.1 Die Entwicklung der Kommerzialisierung

Die kommerzielle Nutzung des Internets auf breiter Basis setzte gegen Ende der 80er Jahre ein. Vorher standen die Möglichkeiten, das Internet zu nutzen, nur Großunternehmen zur Verfügung. Die Zugangstechnik war für kleinere Unternehmen und Privatpersonen unerschwinglich. Der rapide Preisverfall bei den Personal Computer, sowie das Aufkommen des World Wide Web führte zur Verbreitung von Internetzugängen bei Privatpersonen (vgl.: VESPER, 1998, S. 13). Das grafikorientierte World Wide Web, das auf dem Protokoll "Hypertext Transfer Protocol" (HTTP) und der Beschreibungssprache "Hypertext Markup Language" (HTML) aufsetzt, wurde am Europäischen Zentrum für Hochenergiephysik CERN in Genf entwickelt und 1992 frei verfügbar gemacht.

Verschiedene Organisationen und Einzelpersonen begannen mit der Entwicklung von Web-Browsern, einer Software, mit deren Hilfe in Hypertext Markup Language verfaßte Dokumente dargestellt werden können (vgl.: JONES/NYE, 1995, S. 1). Innerhalb dieser Dokumente ist die Darstellung von Grafiken, Animationen, Texten, aber auch von Audio-Dateien oder Video-Sequenzen möglich. Die einfache, grafisch orientierte Oberfläche des World Wide Web kam den Nutzungsgewohnheiten vieler Privatpersonen nahe.

Die Struktur des Netzes wandelte sich: neben den Universitäten und Staatseinrichtungen traten zunehmend auch kommerziell orientierte Anbieter auf, die kostenpflichtige Informationsangebote, Reservierungs- und Buchungsmöglichkeiten, Produktinformationen oder werbefinanzierte Online-Publikationen anboten. Auch die Gruppe der Nutzer wandelte sich von einer kleinen Gruppe hin zu einer breiteren Nutzerschicht (vgl.: VESPER, 1998, S. 13). Unterstützt wurde diese Tendenz durch eine breite Medienpräsenz des Internets.

In diesem Zusammenhang entstand auch ein höherer Regelungsbedarf von außen, da der Nutzerkreis zunehmend inhomogen wurde. Der in diesem Abschnitt beschriebene Prozeß der Kommerzialisierung wird im weiteren Verlauf der Arbeit als fester Zeitpunkt im Bezug auf die Relevanz für den Jugendmedienschutz betrachtet werden.

2.2.2 Die Relevanz der Kommerzialisierung für den Jugendmedienschutz

Das Internet wurde vor seiner Kommerzialisierung nur von einem relativ kleinen Personenkreis, zumeist aus dem Umfeld von Universitäten, staatlichen Stellen oder von Computerexperten, genutzt. Somit war das Angebot auf einen bestimmten, sehr homogenen Personenkreis zugeschnitten und Kinder und Jugendliche praktisch nicht beteiligt.

Seit der Kommerzialisierung drängen die unterschiedlichsten Arten von Anbietern auf den neuen Markt der Online-Medien, darunter auch solche Angebote, die für den Jugendmedienschutz relevant sind. Der Nutzerkreis weitet sich aus, und auch Kinder und Jugendliche sind zunehmend Nutzer des Internets. Es gibt eine Vielzahl von Angeboten, die gegen deutsche Jugendschutzrichtlinien verstoßen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Internationalität des Internets. Mit der Verbreitung des Internets wird der Jugendmedienschutz zum ersten Mal massiv mit einer großen Anzahl von internationalen Angeboten, und damit anderen Werte-, Normen- und Rechtssystemen, konfrontiert.

Eine Kooperation mit anderen Ländern wird zunehmend notwendig. Abgewägt werden muß in Bereichen, in denen das deutsche Rechtssystem greift, immer zwischen der durch das Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit und den Schutzbestimmungen, die der Gesetzgeber für Kinder und Jugendliche erlassen hat. Entsprechende, als jugendgefährdend einzustufende Angebote müssen weiterhin für Erwachsene zugänglich sein, für Kinder und Jugendliche allerdings unzugänglich gemacht werden, wie es im Gesetz zur Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte festgelegt ist. Dabei ist der Jugendmedienschutz im Internet mit einer Technik konfrontiert, die sich erheblich von der der bisherigen Medien unterscheidet.

Ein Jugendschutz mit Hilfe von Sendezeit- oder Altersbeschränkungen ist im Internet kaum bzw. gar nicht zu realisieren. Der gesetzliche Jugendschutz trifft da auf seine Grenzen, wo deutsche Gesetze aufgrund der Internationalität des Netzes nicht mehr durchgesetzt werden können. Neue Konzepte müssen an dieser Stelle erarbeitet werden. Da eine technische Kontrolle des Internets schwierig ist und fraglich ist, ob technische Lösungen an dieser Stelle sinnvoll und effizient sein können, wird es nötig sein, neue Ansätze des präventiven Jugendschutzes in Form einer Medienpädagogik für das Internet zu entwickeln.

Wie bei den bereits etablierten Medien muß auch der Umgang mit dem neuen Medium Internet erlernt werden. Alte Vorgehensweisen müssen hinterfragt und durch neue Konzepte ergänzt werden. Medienpädagogen und Jugendschützer sind an dieser Stelle gleichermaßen gefragt.

2.2.3 Aktuelle Statistik des Internets

Um einen Einblick in die Benutzerstruktur des Internets und die Bedeutung der einzelnen Dienste zu erfahren, sollen nun einige statistische Daten vorgestellt werden. Quellen hierfür sind die W3B-Umfrage, die größte, unabhängige deutschsprachige Meinungsumfrage im Internet (vgl.: FITTKAU & MAAß, 1999), und der NUA Internet Surveys aus dem World Wide Web.

Zu bedenken sind bei diesen Befragungen immer die üblichen statistischen Unschärfen von Verbraucherbefragungen. Über die Methode der Umfragen gab es keine näheren Angaben auf den zur Verfügung stehenden Webseiten. Ferner ist anzumerken, daß eine derartige Befragung höchstwahrscheinlich an Kindern und Jugendlichen vorbei geht und sie somit kaum erfassen dürfte.

Da die Zahlen der beiden Untersuchungen sich aber in etwa entsprechen, dürfte eine gewisse Aussagekraft in ihnen liegen. Laut der NUA-Untersuchung nutzten im September 1998 3,6 % der Weltbevölkerung Online-Dienste. Dabei liegen die USA und Kanada an erster Stelle, gefolgt von Europa an zweiter und Asien/Pazifik an dritter Stelle (vgl.: FOCUS, 1998). Für das Thema der Arbeit ist es interessant zu betrachten, welche Personen zur Zeit hauptsächlich das Internet nutzen.

Demographisch gesehen beträgt der Anteil der Männer bei den deutschsprachigen Internetnutzern 1998 82,8% (vgl.: FITTKAU & MAAß, 1999). Das durchschnittliche Alter liegt bei 35,5 Jahren, und 63,9% der Online-Nutzer verfügen über Abitur, gefolgt von 23,4%, die den Abschluß Mittlere Reife haben. Der Anteil der Angestellten ist mit 43,6% der höchste, an zweiter und dritter Stelle folgen Studenten mit 17,1 % und Selbständige mit 16,3% (vgl.: FOCUS I, 1998).

Kinder und Jugendliche sowie Frauen sind also zur Zeit noch unterrepräsentiert. Dementsprechend muß darauf hingewiesen werden, daß die Angebote im Internet hauptsächlich den Interessen der derzeitigen Nutzer entsprechen und von ihnen mitgestaltet werden.

An erster Stelle bei den Interessen der deutschsprachigen Internet-Nutzer steht der E-Mail-Dienst mit 96,8%. Das World Wide Web ist mit 95,0% der zweitbeliebteste Dienst. Das File Transfer Protocol liegt mit 74,0% an dritter Stelle. Das Usenet wurde von 34,8%, das Chatten von 26,6% der deutschsprachigen Internetnutzern genutzt (vgl.: FOCUS II, 1998). Die am häufigsten genutzten Dienste im deutschsprachigen Raum sollen im folgenden Kapitel vorgestellt werden.

2.3 Die am häufigsten genutzten Dienste des Internets

2.3.1 Electronic mail

Die elektronische Post ist in weiten Teilen mit der klassischen Post zu vergleichen. Die Nachrichten ähneln jedoch, wenn sie unverschlüsselt sind, Postkarten, die unter Umständen mitgelesen werden können. Mit Hilfe einer entsprechenden Software ist es möglich, Menschen auf der ganzen Welt in kurzer Zeit Nachrichten zukommen zu lassen.

Man benötigt dazu eine eigene E-Mail-Adresse und die des Adressaten. Eine E-Mail-Adresse erhält man beispielsweise, wenn man sich bei einem Online-Diensteanbieter (Provider) anmeldet. Damit ist sozusagen ein "Postkasten" auf dem Rechner des Providers eingerichtet, den nur der Inhaber der Adresse mit Hilfe eines Passwortes leeren kann.

Mittlerweile besteht auch die Möglichkeit, E-Mail-Dienste zu nutzen, die über das World Wide Web angeboten werden und über einen Browser zu bedienen sind. Hier ist es möglich, sich eine E-Mail-Adresse einzurichten und seinen Mail-Verkehr von allen Rechnern mit World-Wide-Web-Zugang auszuführen. Über E-Mail ist es auch möglich, Dateien und Programme zu schicken, die als attachments bezeichnet und an die Nachricht angefügt werden.

2.3.2 World Wide Web

Das World Wide Web wurde seit 1989 im Europäischen Zentrum für Hochenergiephysik CERN in der Schweiz entwickelt und 1992 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es stellt den am stärksten grafisch orientierten Dienst im Internet dar (vgl.: JONES/NYE, 1995, S. 1).

Die Dokumente des World Wide Web, die sogenannten Webseiten, sind als Hypertexte verfaßt. Eine Webseite ist ein in einem bestimmten Dokumentenformat, der Hypertext Markup Language (HTML), verfaßtes Dokument, daß mit anderen Dokumenten verknüpft werden kann. Solche Verweise auf andere Dokumente bezeichnet man als Link. Die Links können nicht nur auf Texte, sondern z.B. auch auf Sounddateien, Videoclips oder Bilder zeigen.Ein Hypertext ist nonlinear. Die Reihenfolge der Webseiten kann vom Leser selbst bestimmt werden. Das World Wide Web stellt ein weltweites Netzwerk von Informationen dar, deren Menge kaum noch zu überschauen ist.

Im Prinzip kann jeder, der sich mit der Technik des World Wide Web ein wenig beschäftigt hat, eigene Webseiten veröffentlichen und sich ohne großen finanziellen Aufwand im Internet in Bild, Ton und Text präsentieren.

2.3.3 Usenet

Das Usenet entstand in den 80er Jahren in den USA aus einer Diskussionsgruppe von Unix-Benutzern an Universitäten, die ihre Rechner zu einem Netzwerk zusammenschlossen. Unix ist ein Betriebssystem, das vielfach auf Großrechnern zur Anwendung kommt. Aus der Unix Userīs Group entstand die Usenix Association und durch ein Wortspiel wurde das neu entstandene Netzwerk Usenet genannt (vgl.: SPENCER/LAWRENCE, 1998, S. 409).

Das Usenet stellt eine Sammlung von Diskussionsforen dar. Diese Diskussionsforen werden als Newsgroups bezeichnet. Jeder, der über seinen Provider Zugang zum Usenet hat, kann sich an ihnen beteiligen. Das Usenet ist mit vielen schwarzen Brettern zu vergleichen, an dem jeder zu bestimmten Themen Artikel veröffentlichen und die eigenen und fremden Artikel lesen kann. Newsgroups existieren zu allen möglichen Themen und sind nicht zentral organisiert. Mit Hilfe einer entsprechenden Software, eines sogenannten Newsreaders, vielfach auch über einen Browser, kann man Foren abonnieren und sich an der Diskussion beteiligen (vgl.: MÖNCH/HAASE, 1996, S. 72f).

In Newsgroups gibt es eine Reihe von Regeln, die zu beachten sind und im Laufe der Jahre von den Benutzern selbst entwickelt wurden. Diese Regeln werden Netiquette genannt und beziehen sich auf das Verhalten in den Diskussionsgruppen. Verstöße werden von den anderen Teilnehmern mit verschiedenen Maßnahmen geahndet. Durch das Hinzuströmen von neuen Teilnehmern und kommerziell orientierten Anbietern in die Newsgroups ist die Selbstregulierung der Gruppen im Laufe der Zeit allerdings immer schwieriger geworden.

Die Artikel der Newsgroups bleiben für einige Wochen auf den Rechnern gespeichert. Danach werden sie gelöscht, um wieder neue Kapazitäten zu erhalten. Es ist auch möglich, über das Usenet Bilddateien auszutauschen.

2.3.4 File Transfer Protocol

Das File Transfer Protocol dient der Übertragung von Dateien im Internet. Vielfach wird dieser Dienst auf Servern angeboten, die öffentlich sind und verschiedene Dateien zum herunterladen auf die eigene Festplatte bereithalten. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang Software in verschiedenster Form (Spiele, Treiber, Virenscanner etc.) oder größere Text-Dateien (vgl.: MÖNCH/HAASE, 1996, S. 83f).

2.3.5 Internet Relay Chat

Im Internet Relay Chat kann man sich über Tastatureingabe mit Menschen auf der ganzen Welt unterhalten. Diese Unterhaltung bezeichnet man mit dem englischen Begriff Chat. Die Unterhaltung erfolgt nahezu in Echtzeit, d.h. alle Beteiligten sitzen zum Zeitpunkt des Chats an ihren Rechnern und das Eingetippte erscheint nach kurzer Zeit auf den Bildschirmen der anderen Teilnehmer.

Der Internet Relay Chat ist dezentral konzipiert, hat also keine übergeordnete Leitung. Es existieren mittlerweile mehrere voneinander unabhängige Internet Relay Chat-Netze (z.B. Undernet, Efnet), die nicht miteinander in Verbindung stehen. Im Internet Relay Chat existieren Foren, in denen über verschiedene Themen diskutiert werden kann. Die Beteiligten wählen sich innerhalb des Internet Relay Chats ein Pseudonym, einen sogenannten Nickname, unter dem sie auftreten.

Es besteht für die Teilnehmer auch die Möglichkeit, eigene Foren zu eröffnen und sich dort mit Gleichgesinnten zu treffen. Wer ein solches Forum eröffnet, was ohne weitere Genehmigung möglich ist, hat dort die Rechte eines operators, d.h. er ist mit Sonderrechten ausgestattet und kann Personen aus dem Chat ausschließen und weitere Privilegien nutzen.

Die Gespräche werden nicht, wie beim Usenet, für alle gespeichert, sondern finden nur in dieser Minute auf den Rechnern statt. Es besteht auch die Möglichkeit, mit einer Einzelperson zu sprechen statt mit allen Chattern zu kommunizieren. Auch Dateien können über den Befehl DCC von den anderen Teilnehmern des Chats unbemerkt zwischen Personen verschickt werden (vgl.: MÖNCH/HAASE, 1996, S. 90ff).

Wie im Usenet und in den restlichen Internet-Diensten gilt auch hier die Netiquette, die von den Teilnehmern überwacht und eingehalten wird. Mit zunehmenden Zustrom auf den Internet Relay Chat und der teils mangelhaften Kenntnisse der Nutzer wird die Einhaltung der Netiquette zunehmend schwierig.

2.3.6 Webchats

Neben dem klassischen Internet Relay Chat entstehen immer mehr Chats, die über das World Wide Web bedient werden können. Der Chat findet dabei in der Regel lokal auf einem Server statt und ist nicht mit anderen Chatservern verbunden. Viele Fernsehsender und Printmedien bieten mittlerweile Chats an, die sehr leicht zu bedienen sind und die Bindung an das Produkt fördern sollen. In der Regel müssen keine Befehle, wie beim Internet Relay Chat eingegeben werden, sondern die Bedienung erfolgt mittels einer grafischen Benutzeroberfläche. Das macht es auch für Jüngere leichter, sich am Chat zu beteiligen.

2.4 Möglichkeiten des Mißbrauchs

Im folgenden wird auf die Möglichkeiten einer unsachgemäßen Nutzung der in Kapitel 2.3 vorgestellten Dienste eingegangen werden, die auch für den Jugendmedienschutz von Interesse sein kann. In den Medien finden sich in letzter Zeit hauptsächlich Berichte über jugendschutzrelevantes Material, das über das World Wide Web und das Usenet verbreitet wird (vgl.: z.B. im weiter unten geschilderten Compuserve-Fall).

Dabei handelt es sich vielfach um strafrechtlich relevante Inhalte. Im World Wide Web lassen sich Seiten finden, die als schwer jugendgefährdend eingestuft werden. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang gewaltverherrlichende oder kinderpornographische Seiten. Es gibt auch eine Vielzahl von Webseiten, die als für Kinder und Jugendliche ungeeignet angesehen werden können, aber keinen direkten Straftatbestand erfüllen.

Die Veröffentlichung im World Wide Web ist recht einfach und kostengünstig. Diese Vorteile werden auch von Anbietern jugendschutzrelevanter Inhalte genutzt. Da das Medium international ist, sind die Empfindlichkeiten und Wertevorstellungen der Internet-Nutzer sehr unterschiedlich, und auch die Gesetze der einzelnen Länder sind in ihrer Beurteilung, was sie als illegal und was nicht einschätzen, recht verschieden.

Im World Wide Web kann der Benutzer mit einer Vielzahl von Webseiten konfrontiert werden, die unter Umständen seinen Werte- und Moralvorstellungen widerstreben. Zu einem geringen Teil sind diese Inhalte illegal, zu einem sicherlich höheren können sie als ungeeignet für Kinder und Jugendliche angesehen werden.

Ein weiterer Mißbrauch kann darin bestehen, die Technik des World Wide Web unsachgemäß zu nutzen und so eine Rückverfolgung des Urhebers einer Site zu erschweren oder möglicherweise zu verhindern. Eine Strafverfolgung kann hier sehr schwierig werden.

Um Seiten im World Wide Web zu finden, bedarf es entweder der konkreten Adresse der Seite oder einer Suchmaschine, die Webangebote anhand der eingegebenen Suchbegriffe auffindet (z.B. http://www.altavista.com). Über Suchmaschinen lassen sich zu nahezu jedem Thema Seiten finden. Ein Problem, daß bei der Strafverfolgung im Internet besteht, ist, daß es sich hierbei um ein internationales Medium handelt und die Verfolgung der Straftaten sehr schwierig ist. Die Bemühungen gehen dahin, internationale Grundstandards zu entwickeln, was sich bei den unterschiedlichen Kulturkreisen, Religionen und Menschenbildern allerdings problematisch gestaltet.

Eine weitere Schwierigkeit stellt die Dynamik des Mediums dar. Die Seiten liegen nicht an festen Plätzen, sondern können ihre Adresse wechseln, so daß sie nicht mehr ohne weiteres aufgefunden werden können. Ferner ist es möglich, Seiten, die in einem bestimmten Land verboten werden, auf einen Rechner eines anderen Landes zu übertragen, in dem das Angebot nicht strafbar ist und es somit weiterhin im Web zu verbreiten.

Ein Dienst, der im Zusammenhang mit einer Straftat in die Schlagzeilen geraten ist, ist das Usenet. 1996 machte der Fall Compuserve Schlagzeilen. Die bayerische Staatsanwaltschaft hatte die Firmenräume des Online-Dienstes wegen des Verdachts der Verbreitung von Kinderpornographie durchsucht und empfohlen, Newsgroups, in denen das Wort Sex vorkommt, zu überprüfen. Compuserve sperrte damals den Zugang zu fast 200 Newsgroups, die irgendwie im Zusammenhang mit Sex standen. Unter ihnen waren auch Selbsthilfegruppen oder Diskussionsforen über Krankheiten. Die spätere Verurteilung des Geschäftsführers von Compuserve Deutschland ist bis heute umstritten (vgl.: LAHRMANN, 1997, S. 11).

Das Usenet ist textbasiert und in seiner Bedienung komplexer als das World Wide Web. Neben dem Hauptzweck des Meinungsaustausches können über diesen Dienst auch Bilder und andere Dateien verbreitet werden. Eine Verbreitung von illegalen oder jugendgefährdenden Inhalten kann auch hier nicht ausgeschlossen werden. Da die News einige Wochen auf den Newsservern gespeichert werden, ist es meist möglich nachzuvollziehen, von wem eventuell verbotene Inhalte stammen. Die Themen der Newsgroups sind sehr weit gefächert. Es lassen sich auch hier Inhalte finden, die für den Jugendmedienschutz relevant sein können.

Der Internet Relay Chat ist ein Dienst, bei dem man direkt eine Rückmeldung von seinen Kommunikationspartnern erfährt. Diese Kommunikation erfolgt nahezu in Echtzeit. Der Internet Relay Chat ist recht groß und zersplittert, so daß eine zentrale Kontrolle, wie bei den meisten Diensten, nicht stattfindet. Mißbräuchliche Nutzung des Internet Relay Chat kann von Herumpöbeln oder Belästigungen in Chatforen bis hin zum Austausch von illegalen Inhalten über die DCC-Funktion reichen. Dabei kann eine direkte Verbindung zwischen zwei Chat-Servern zum Datenaustausch aufgebaut werden. Dieser Vorgang bleibt für die anderen Teilnehmer des Internet Relay Chats unsichtbar.

Die Struktur des Internet Relay Chats bietet ferner die Möglichkeit, sich in privaten Foren zu treffen und diese dann direkt wieder aufzulösen. Diese Kommunikationsform ist dem Telefonat ähnlich. Kinder und Jugendliche können potentiell verbal belästigt oder nach ihren Adressen, Telefonnummern etc. ausgefragt werden. Wie im nicht-virtuellen Leben muß an dieser Stelle ein Bewußtsein für das Risiko einer Datenweitergabe geschaffen und Kinder und Jugendliche entsprechend informiert werden. Die Chats werden in der Regel vom Server-Betreiber aufgezeichnet. Unter Umständen ist es so möglich, unsachgemäße Benutzungen zurückzuverfolgen und den Benutzer ausfindig zu machen.

Eine Alternative zum klassischen Internet Relay Chat bieten die World Wide Web-basierten Chats (wie z.B. der RTL-Chat, webchat oder topchat), die grafisch orientiert und sehr einfach zu bedienen sind. Bezüglich der Jugendgefährdung, existieren ähnliche Bedingungen wie beim Internet Relay Chat; vielfach sind die Möglichkeiten beim Webchat aber deutlich eingeschränkt und viele Funktionen nicht möglich. Außerdem findet der Chat in der Regel nur auf einem Server statt.

Das File Transfer Protocol dient der der reinen Übertragung von Dateien. Natürlich ist es, wie bei nahezu allen Diensten, möglich, auch diesen Dienst zu jugendgefährdenden oder illegalen Zwecken zu mißbrauchen. So könnten z.B. indizierte Computerspiele, oder andere Software oder Dateien, die als jugendgefährdend eingestuft sind, auf den eigenen Rechner heruntergeladen oder durch das Internet verschickt werden.

Der E-Mail Dienst ist, wie bereits erwähnt, mit der Post in der nicht-virtuellen Welt zu vergleichen. Dabei haben die Mails, soweit sie nicht verschlüsselt sind, Postkartencharakter. Der E-Mail Dienst dient entweder der Kommunikation zwischen zwei Personen, kann aber auch auf mehrere, z.B. innerhalb sogenannter Mailinglisten, ausgeweitet werden. Es besteht die Möglichkeit, auch Dateien mittels sogenannter attachments an die E-Mails anzuhängen und so unter Umständen auch jugendgefährdendes Material zu versenden. Auch die Inhalte der Mails können, wie bei der klassischen Post, potentiell jugendgefährdendes Material enthalten.

2.5 Einschätzung der Jugendgefährdung

Wie alle Medien können auch die Dienste des Internets mißbraucht werden. So wie es bei Briefen möglich ist, illegales Material zu versenden, über Telefonate Straftaten zu planen oder in Printmedien jugendgefährdendes Material zu veröffentlichen, so ist dies auch im Internet möglich. Die Kontrollmöglichkeiten sind durch die technische Struktur des Internets und die Internationalität dabei erheblich eingeschränkt, so daß eine effektive Strafverfolgung schwierig sein kann.

Es läßt sich feststellen, daß die Angebote im Internet genau das wiederspiegeln, was in der nicht-virtuellen Welt an jugendschutzrelevanten Themen auch vorkommt. Vielfach mag die Hemmschwelle zur Veröffentlichung geringer sein, da man sich hinter einer vermeintlichen Anonymität verbergen kann. Auch der Zugriff auf entsprechendes Material kann unter Umständen Jugendlichen leichter fallen, da ein zwischenmenschlicher Kontakt (wie z.B. in einem Laden) nicht zustande kommt.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und so gelten für dortige Veröffentlichungen dieselben Gesetze wie im nicht-virtuellen Leben. Besondere Gesetze (das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz und der Mediendienstestaatsvertrag), die die Online-Medien betreffen, sind erlassen worden und sollen die Besonderheiten dieser Medien berücksichtigen. Die Durchsetzung dieser Gesetze ist aufgrund der dezentralen Struktur und der Internationalität des Netzes schwierig, und die Ordnungsbehörden sind vielfach überfordert. Von verschiedenen Interessengemeinschaften sind in diesem Zusammenhang Meldestellen im World Wide Web geschaffen worden (z.B. Netz gegen Kinderporno, oder Kid-Care-Net), die dem Internet-Nutzer die Möglichkeit zur Meldung von potentiell jugendgefährdenden oder kriminellen Inhalten im Netz geben sollen, ohne direkt mit der Polizei in Kontakt zu treten.

Man wird im Internet keinesfalls von jugendgefährdendem Material überschüttet. Festzuhalten ist, daß der Anteil an strafrechtlich relevanten Inhalten im Internet unter den geschätzten Wert von 1% liegt (PRESSE- UND INFORMATIONSAMT, 1996, S. 68). Ohne die Adressen und Stichworte für die Suche in Suchmaschinen wird man nicht auf entsprechende Seiten stoßen. Ein spezielles Interesse des Jugendlichen ist also nötig, um Seiten im World Wide Web oder Beiträge in anderen Diensten zu finden.

2.6 Zusammenfassung

Das Internet hat erst seit seiner Kommerzialisierung Relevanz für den Jugendmedienschutz erlangt. Vom wissenschaftlichen und militärischen Forschungsnetzwerk entwickelt es sich hin zu einem Informationsnetzwerk für eine breite Nutzerschicht. Dabei sind nur einige der Internetdienste, bezüglich jugendgefährdender Inhalte, in der öffentlichen Diskussion. Jugendliche werden im Internet nicht von entsprechendem Material überschüttet, sondern müssen explizit danach suchen.

Im folgenden Kapitel sollen die historische und aktuelle Situation des Jugendmedienschutzes dargestellt und alte, wie neue Ziele vorgestellt werden.


Zum Kapitel 3: Der Jugendmedienschutz in Deutschland